Prämiensparen: Aktuelle Verhandlungen und Aussicht auf mehr Rechtssicherheit

17.07.2023 Jagoda Richter

Seit über drei Jahren beschäftigen Prämiensparverträge und ihre Verzinsung deutsche Gerichte. Ein Ende der juristischen Klärung ist aktuell nicht in Sicht. Am 25. April 2023 fällte der Bundesgerichtshof (BGH) im jahrelangen Streit zwischen Verbraucherschützenden und der Sparkasse Meißen sein Urteil: Die Zinsanpassungen erfolgten auf Basis einer rechtswidrigen Klausel. Für einen Referenzzinssatz verwies der BGH zurück an das Oberlandesgericht Dresden. Ein bekanntes Ping-Pong-Spiel zwischen den Gerichten.

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Deshalb haben bereits 2021 und 2022 erste Sparkassen, darunter auch die Landessparkasse zu Oldenburg (LzO), ihren Kundinnen und Kunden aktiv Vergleiche angeboten. Wo die Sparkasse aktuell beim Thema Prämiensparen steht und wie ihr Weg zu mehr Rechtssicherheit aussieht, berichtet Vorstandsvorsitzender Michael Thanheiser.

Herr Thanheiser, Sie sind das Thema sehr frühzeitig gemeinsam mit dem Sparkassenverband Niedersachsen (SVN) angegangen und gehörten zu den ersten Häusern, die ihren Kundinnen und Kunden bereits Ende 2021 Vergleiche anboten. Haben Sie in der Zwischenzeit mit allen eine dauerhafte Lösung gefunden?

Stand heute können wir sagen, dass wir mit einer sehr großen Anzahl an betroffenen Kundinnen und Kunden eine dauerhafte Lösung mit unterschiedlichen Vergleichsformen finden konnten – sowohl für bereits beendete Verträge als auch für Verträge, deren Vertragsablauf in der Zukunft liegt. Die Anzahl der noch nicht erfolgten Rückmeldungen beläuft sich auf einen sehr geringen Anteil. Das kann unterschiedliche Gründe haben, wie z. B. eine nicht aktuelle Wohnanschrift oder Nachlassfälle. Wir freuen uns, dass wir mit und für unsere Kundinnen und Kunden gute Lösungen gefunden haben.

Warum haben Sie sich so früh dazu entschlossen, das Thema aktiv anzugehen und entsprechende Vergleiche anzubieten?

Eine zu lösende Aufgabe wird durch warten nicht kleiner und daher haben wir uns gemeinsam mit dem SVN frühzeitig mit dem Thema auseinandergesetzt. Die beteiligten Expertinnen und Experten aus LzO und SVN teilten die Einschätzung, dass da ein größeres Thema auf uns Sparkassen zurollt. Das zeigt die Vielzahl an Musterfeststellungsklagen und die anhaltende mediale Aufmerksamkeit. Für uns ging es vor allem um drei wesentliche Aspekte: 1. das Vertrauen gegenüber unseren Kundinnen und Kunden aufrechtzuerhalten, indem wir die Urteile und die daraus resultierenden Ansprüche von Beginn an ernst nehmen und eine faire und transparente Lösung anbieten, 2. unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine gute Basis für die weitere Zusammenarbeit mit ihren Kundinnen und Kunden zu schaffen und 3. unser Risiko zu minimieren bzw. kalkulierbar zu machen.

Sie haben neben dem SVN auch auf das Know-how des S-Servicepartners beim Thema Prämiensparen zurückgegriffen. Welchen Mehrwert brachte die Zusammenarbeit hier ganz konkret für Ihre Sparkasse?

Wir haben gemeinsam eine praxistaugliche Lösung für diese zusätzliche, temporäre Herausforderung entwickelt, bei der jeder seine Stärken einbrachte. Zum Beispiel hat der S-Servicepartner sein Know-how der bundesweiten Sparkassenbearbeitung eingebracht genauso wie seine Praxiserfahrung bei der Entwicklung technisch-gestützter Anwendungen.

Die Zusammenarbeit machte eine Berechnung und Abwicklung von knapp 7.000 Vergleichsangeboten in enger Kooperation mit unseren Fachbereichen ohne Personalaufbau und Zusatzbelastungen des Marktes erst möglich. Alleine als einzelne Sparkasse wäre das in der Form nur mit sehr viel Kraftaufwand möglich gewesen. Ich möchte hier allerding auch unsere Beraterinnen und Berater erwähnen, die bei Rückfragen der betroffenen Anlegerinnen und Anleger zahlreiche Kundengespräche geführt haben – das hat sehr geholfen.

Das Beispiel Prämiensparen zeigt uns, wie wir durch eine enge Vernetzung und Wissensbündelung von aktiven Sparkassen, unterstützenden Regionalverbänden sowie spezialisierten Dienstleistern Themen in der Sparkassen-Finanzgruppe erfolgreich bewegen können. Mehr Hände schaffen mehr als eine.

Würden Sie die Entscheidung für eine aktive Vorgehensweise rückblickend betrachtet erneut so treffen? Vor dem Hintergrund des hohen öffentlichen Interesses sowie der Aktivitäten der BaFin scheint das sicherlich der richtige Weg gewesen zu sein. Betriebswirtschaftlich betrachtet spricht die Zinsentwicklung auch dafür.

Ja, das würden wir. Für unser Haus hat sich die Investition in eine frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Thema ausgezahlt. Zum einen konnten wir den Sachverhalt bereits in unserem Jahresabschluss 2021 berücksichtigen. Zum anderen konnten wir durch die aktive Ansprache der Kundinnen und Kunden das Vertrauensverhältnis stärken und nebenbei zusätzliche Vertriebsimpulse generieren. Mit den meisten sind dauerhafte Lösungen gefunden worden. Das entspricht unserem Bild von Fairness und Kundenorientierung. Wir sind jetzt und auch zukünftig aufsichtsrechtskonform, konsensorientiert sowie betriebswirtschaftlich sauber aufgestellt.

Vor Kurzem hat der Bundesgerichtshof im Fall der Sparkasse Meißen geurteilt. Verfolgen Sie die aktuelle Entwicklung und Rechtsprechung dazu weiterhin?

Natürlich behalten wir das Thema weiterhin im Blick und verfolgen die laufenden Verfahren – auch, wenn durch unsere bereits erfolgte aktive Kundenansprache der Handlungsdruck für uns aktuell nicht mehr so hoch ist. Und wir kennen doch alle den Spruch von „Vor Gericht und auf hoher See…“.

Was würden Sie aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen anderen Sparkassen mit auf den Weg geben, die sich derzeit mit der weiteren Herangehensweise beim Thema Prämiensparen beschäftigen?

Aufgrund unserer bisherigen Erfahrungen können wir alle Sparkassen nur ermutigen, sich proaktiv mit dem Thema auseinanderzusetzen. Warten ist selten eine gute Option. Vor allem vor dem Hintergrund, dass weitere Urteile in 2023 anstehen und auch die Allgemeinverfügung der BaFin noch nicht vom Tisch ist. Wir empfehlen, den Austausch mit dem eigenen Regionalverband und ggf. einem kompetenten Dienstleister zu suchen, um eine für beide Seiten annehmbare Lösung zu finden und umzusetzen. Nutzen Sie die Kraft der vielen Hände.

Vielen Dank für das Interview und die Einblicke in das Vorgehen der LzO.